…oder nur ein schlechter Traum?
Von: Dirk Guhl
Mit dieser Frage beschäftige ich mich seit dem Simone mich nach über zwei Monaten zum Jahreswechsel hier in Slawonien besucht hat.
Heute ist sie zurück nach Deutschland gefahren aber nicht ohne mir vorher noch einmal den Spiegel vorzuhalten – und das Ergebnis ist ziemlich ernüchternd! Habe ich mich denn in dieser kurzen Zeit so sehr verändert? Ja es stimmt, gut fühle ich mich in der Tat zur Zeit nicht.
Aber ist es wirklich so schlimm? Ich frage mich ernsthaft ob ich jetzt in der Realität angekommen bin oder ob ich alles nur träume. Ich hoffe nur auf einen Traum, schließlich habe ich die rosarote Brille noch immer auf durch die ich dieses Land und seine besonders lieben und fantastischen Menschen sehe. Aber es kommt mir dennoch so vor, als ob ich mit dieser Meinung Tag für Tag immer mehr alleine da stehe…
Simone besucht mich
Alles begann am 27. Dezember am Bahnhof “Glavni Kolodvor“ in Zagreb. Ich habe Simone vom Zug abgeholt. Selbstverständlich mit roten Rosen wie es sich für einen Mann gehört und wie es Simone verdient hat. In diesem Moment war ich echt glücklich und voller Hoffnung. Und ich war wirklich froh Simone in die Arme zu nehmen.
Simone hat das später so kommentiert: -Du hast am Zug in Zagreb gestanden als wartest du auf jemanden, der dir etwas Kultur und Geborgenheit zurück bringt, so hoffnungsvoll standst du da als ich kam. Ich war für dich wie ein kleines Licht im Dunkel. Es war als treffen zwei Welten aufeinander.
Hat mich die Realität eingeholt?
Ich weiß es nicht. Ich hoffe nicht! Doch Simone hat in den gemeinsamen Tagen mit mir hier zusammen in Slawonien genau gemerkt, das und wie ich mich verändert habe. Und nach fast 12 Jahren Ehe weiß ich ihre Einschätzung zu deuten auch wenn ich es nicht wahrhaben will:
-Du wirkst planlos, demotiviert und desillusioniert. “Lebst”, wenn man das so sagen darf, vor dich hin, bist lethargisch, hast deinen dir eigenen Ordnungssinn verloren, du hast keinen Rhythmus und kein Zeitgefühl mehr. Dein kompletter Lebensfrohsinn ist dir verloren gegangen, deine Lebensqualität ist komplett weg. Deine berühmte Spontanität ist auch weg. Du bist wie ein Tier im Winterschlaf. Du bist in einem seelischen Ungleichgewicht. DU BIST ENTTÄUSCHT!!!
Ich geniesse die wenigen Tage hier mit Simone. Wir unternehmen soviel wie möglich und soviel wie und was hier überhaupt machbar ist. In Osijek sagte Simone zu mir: -Die Realität hat dich eingeholt aber wenigstens kannst du noch lachen wenn ich bei dir bin!
Silvester feierten wir auf der Brücke in Osijek. Dieser für mich so schicksalhafte Jahreswechsel hat aber immerhin interessante Erkenntnisse und Einsichten gebracht.
Simone gab mir um 0 Uhr ein paar wertvolle Ratschläge:
-Das Land ist groß, du kannst nicht immer nur in Slawonien so weiter machen, so eine Unkultur hier! Stell´ dir das wie eine Wasserflasche vor die du austrinkst. Wenn sie alle ist und du Durst hast musst du zur neuen Quelle gehen! Ich weiß du fährst, aber du fährst wie in einer Einbahnstraβe – erst wenn du wendest wirst es interessant!
Heute habe ich Simone zum Bahnhof nach Zagreb gebracht. Sie fährt zurück nach Deutschland. Nach Slawonien wird sie nie mehr kommen.
Auch sie ist enttäuscht:
–Ich habe gehofft du steckst mich mit deiner Liebe zu Slawonien an aber das hier ist ja schlimm!
Zum Abschied fragte mich Simone noch einmal:
–Du bist enttäuscht hier, oder?
Ich antworte: -Samo malo!
Darauf Simone:
–Du bist ein Mann, du sagst es nicht aber wir Frauen spüren das und ich sehe dein Herz!
Ja, ich bin enttäuscht, genau wie Simone. Aber nicht von dem Land hier, nicht von Slawonien. Auch nicht von den Menschen im allgemeinen hier.
Ich bin so sehr und so tief im Herzen enttäuscht von denjenigen Leuten hier, die für uns seit 2008 alles bedeuten. Diejenigen, die wir immer im Herzen haben, die ein Stück weit unser Leben gworden sind. Für die wir alles geben würden und für die wir in den letzten Jahren alles getan haben. Die Leute, die für uns mit die wertvollsten Freunde waren, denen wir vertrauen. In diese Leute hatten wir all unsere Hoffnung auf Unterstützung gesetzt… und sind so enttäuscht worden nach all dem was in den letzten Jahren passiert ist.
Das tut besonders mir im Herzen so unheimlich weh. Das ist die größte menschliche Enttäuschung hier und deshalb bin ich so unglücklich in Slawonien.
Nein, ich gebe nicht auf, ich werde in Slawonien bleiben. Ich kämpfe hier um ein gutes Ende, auch wenn die Zeit gegen mich spielt. Ich reiche immer und jedem die Hand. Es ist bezogen auf mein Buch, der Weg (m)einer Liebe und es ist „ Mein Schicksal Slawonien“.
Der Eintrag ist schon etwas älter, aber ich muss ihn einfach kommentieren. Ich glaube dieses “erwacht in der Realität” geht mehr oder weniger jedem so, wenn er irgendwann die “Theorie” verlässt, und eben das wahre Leben vor Ort zu “spüren” beginnt. Wenn ich mein Nordkroatien (sehr nahe Slawonien) von damals (1980er Jahre) mit dem von heute vergleiche, spüre ich Enttäuschung. Das ist insofern verrückt, als dass die Menschen heute ja freier als vor bald 40 Jahren im “System Tito” sein sollten. Doch sind sie wirklich freier, was bedeutet Freiheit? Ich komme nicht von hier, lebe aber mit meiner deutschen Frau… Read more »
Hallo Zdenka, so ist es, man muss die Geschichte kennen nicht nur den Namen um vieles zu verstehen. Und man muss sich die Zeit nehmen dafür. Da ist zum einen immer noch meine bedingungslose Liebe zu diesem Land und besonders zu seinen einzigartigen Menschen (dieses Liebe wird nie vergehen). Zum anderen ist da aber auch das reelle Leben hier. Deswegen bin ich ja extra gekommen um das alles vor Ort mit meinen Eindrücken der letzten Jahrzehnte “abzugleichen”. Du sagst es richtig “irritiert”. Das ist ein guter Begriff für das, was sich derzeit hier abspielt. Viele Leute sagen mir ich bin… Read more »
Hallo Dirk, nun habe ich deine seite besucht und einiges durchgelesen, bin jetzt noch mehr durcheiander. Jetzt verstehe ich auch was du meinst, wen du über enteuchung spricht. Bin selbst auch etwas irritiert mit den ganzen was dort vor sich geht. Habe immer gedacht Kroaten seien ein Volk mit viel liebe, sehr tolerant und im zeitgeist lebend. Nun hat der letzt Krieg die Leute sehr verändert, und es gibt einiges was mir angst macht. Hoffe sehr das diese trauma nicht mehr lange dauert. Was ich dir noch sagen möchte, du hast eine tolle Frau mit unendlich viel liebe zu dir,… Read more »
Liebe Zdenka, vielen Dank für deine offenen Worte. Es ist viel wahr was du sagst. Ich lebe hier in Kutjevo rein privat, nicht dienstlich. Mein Buch ” Anci, der Weg (M)einer Liebe”, besonders aber der 3. Teil “Schicksal Slavonien” dient dazu, mein persönliches Schicksal Slavonien besser zu verarbeiten. Was genau und warum kann dann jeder im Buch lesen. Kroatien kenne ich nun seit über 33 Jahren. Ich bin und fühle mich hier zu Hause, besonders in Kutjevo. Deshalb sehe ich vieles aus zwei Augen. Ich will und werde hier niemand verändern. Im Gegenteil. Ich versuche mich hier so unauffällig wie… Read more »
Hallo Dirk, warum den so Enttäuscht, liegt es an dir vielleicht, weil du versuchst andere zu ändern, oder zu hohe Erwartungen an andere hast, statt dich zu Integrieren. Ich kann mich an die zeit erinnern wo ich nach Deutschland kam, es war anders als ich mir vorgestellt habe, und keiner hat mich verstanden..lach Keine Ahnung was für eine Aufgabe du hast, bist du aus eigene Private Initiative oder beruflich in Kroatien. Eines sollte jedem klar sein, der irgendwo ins Ausland geht, das man die Menschen vor Ort nicht verändern kann, weil die Umstände anders sind, sondern wie man so schön… Read more »