OBDACHLOSE IN KROATIEN

Rijeka aus einer anderen Perspektive

Von: Dirk Guhl
1477361_548547651893463_382878206_nEin Hauch von Europa
Nach 6 Wochen Slavonien hatte ich in Rijeka für mein Buch ein paar Episoden zu gestalten.

Etwas kulturelle Abwechslung kam mir ganz gelegen. In Rijeka war ich schon mehrfach, jedoch kam ich da aus Deutschland oder vom Urlaub an der Adria. Da wirkt die Stadt wie jede andere in Europa auch, normal,  nichts außergewöhnliches eben.

Jedoch nach 6 Wochen in Slawonien war es selbst für mich wie ein Kulturschock! Da waren plötzlich zwei verschiedene Welten, mitten in Kroatien. Ich war unverhofft zurück in Europa und ich spürte, irgendwie habe ich das auch gebraucht.

Der lebendige Korzo, die modisch elegant gekleideten Menschen, das vielfältige Angebot in den Boutiquen und in den Restaurants. Das alles hatte ich in Slawonien ausgeblendet doch jetzt war es plötzlich wieder da und ich konnte mich nicht wehren es in vollen Zügen zu geniessen.

Und die andere Seite

unnamedAber ich bemerkte auch die Schattenseiten. Noch nie zuvor habe ich in Kroatien soviel Obdachlose gesehen. Aber das gehört hier mittlerweile auch zum wahren Leben dazu.

Grund genug für mich den Orden “Ruže Sv. Franje”, ein Hilfsprojekt der kath. Kirche für Obdachlose zu besuchen. Vilma Mlinarić, die Projektmanagerin führte mich durch das Objekt und erklärte mir die Aufgabe des Projektes und die Situation der Obdachlosen hier. 50 registrierte Obdachlose gibt es derzeit in Rijeka. Viele Leute schlafen im Hafen, in Zügen oder einfach im Park der Stadt.

Die meisten leben von 50 Euro Sozialhilfe im Monat, was hinten und vorne nicht reicht. Die kommen dann hier in dieses Hilfsprojekt. Es sind Menschen zwischen 18 und 80 Jahren. Die werden von der Straße aufgesammelt. Es sind die unterschiedlichsten Schicksale: Kriegsveteranen, Leute ohne Familie, Kranke, Invaliden. Besonders Leute ohne Familie haben allein kaum eine Chance auf Resozialisierung in einem stark familienorientierten Land wie Kroatien.

Dieses Hilfsprojekt in Rijeka gibt es seit 7 Jahren. 400 Personen wurden in diesem Zeitraum hier betreut. Derzeit gibt es 13 Schlafplätze, die alle belegt sind.

Ziel ist es, Leute die arbeiten können in Arbeit zu bringen, Kranke ins Krankenhaus und alte Menschen ins Altersheim zu vermitteln. Es gibt Therapiegruppen und Gruppen für Alkoholiker.

unnamed (2)Die Verweildauer hier ist sehr unterschiedlich, zwischen 3 Monaten und einem Jahr. Für die Betreuung hier brauchen sie nichts zu bezahlen. Es gibt eine eigene Strassenzeitung welche für 8 Kuna verkauft wird. Es gibt einen eigenen Einkaufsmarkt. Dort werden Dinge verkauft, deren Erlös der Finanzierung des Projektes dient. Die Leute hier arbeiten auch in dem sie Holz zubereiten und an Bedürftige günstig abgeben.

Ansonsten finanziert die kath. Kirche die Kosten für Strom und Energie. 20 % der Kosten zahlt die Gespannschaft und die Stadt Rijeka. 80% stammen aus privaten Spenden. Gerade jetzt zu Weihnachten kommen viele Firmen und geben etwas um ihr Gewissen zu beruhigen, dann passiert das ganze Jahr über nichts.

Ein Leben ohne Briefkasten

Laut Gesetz muss die Gespannschaft das Projekt finanzieren, macht es aber bis jetzt trotzdem nicht, so die Projektmanagerin. Auch eine Petition an das Europaparlament mit der Bitte, die Einhaltung dieses Gesetzes in Kroatien zu überwachen, da hier nichts passiert, blieb bislang erfolglos. In Zagreb wird viel gesagt, aber an der Basis hier kommt nichts an, so Vilma  Mlinarić.

Besonders die Stadt Rijeka spricht sehr viel über Hilfe nach aussen aber dahinter steht nichts. In Zagreb wäre das anders, da steht der Bürgermeister wegen dem Ansehen der Hauptstadt dem Thema viel sensibler gegenüber.  Ich spreche Vilma auf das Referendum und die damit verbundenen Kosten an und frage ob es denn nicht sinnvoller gewesen wäre, das Geld in soziale Projekte zu stecken.

unnamed (1)Ganz offen sagte sie mir, dass es  auch nicht hier angekommen sondern nur in größere Autos der Beamten in Zagreb investiert worden wäre… Vilma sagt weiterhin, dass das Geld in Kroatien immer nur an die Veteranen geht, denen man hohe Renten zahlt aber nichts ist hier übrig für die wichtigen Dinge im Land. Das Volk hier ist müde von Krieg und Krisen und im Parlament sitzen die selben Leute die vor dem Krieg auch dort gesessen haben. Irgendwie offen und ehrlich.

Beim Rundgang durch das Objekt bin ich beeindruckt von den Menschen die hier leben und ihr Schicksal so gut es geht ertragen. Wir sprechen deutsch, englisch, kroatisch und haben Spass. 2 junge Frauen arbeiten als Volontär hier. Einfach nur um zu helfen.

Sie haben keine Arbeit  und wollen nicht zu Hause sitzen. Eine ist, welch ein Zufall, sogar aus Požega und lebt jetzt in Rijeka. Mich fasziniert das, habe ich doch schon andere junge Leute in Kroatien getroffen, die ihren Tag mit weniger sinnvollen Sachen verbringen…

Wer sich für die Arbeit des Projektes interessiert findet hier nähere Informationen unter www.beskucnici-rijeka.org

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