ANJA´S BRIEF
Piše: Anja Breljak
Sarajevo/An manchen Tagen stehen wir im Dunklen. An manchen Tagen ist nichts um uns herum, nur ein ferner, kühler Lichtstrahl, der sanft unsere Wangen streichelt. An manchen Tagen wirkt alles fremd und fern, und alles ist taub und stumm. So, als säße man in einer Höhle. Allein. Und hörte immer nur sein Echo, hörte niemanden sonst.
Als Kinder spielten wir häufig in einem Versorgungstunnel eines Supermarktes. Tagsüber war es ein Abenteuer, mit Geistern und Monstern, wir lösten Kriminalfälle und stiegen aus Raumschiffen auf neuen Planeten aus.
Und nachts war es ein Alptraum, nachts ließ mich der Tunnel nicht mehr los. Man weiß nie, was an seinem Ende ist, wer oder was dort wartet. Man weiß nicht, was mit seinem Anfang ist, wer oder was von dort hinterherkommt. Man will einfach nur raus aus seiner Dunkelheit. Und was ist wenn man verschüttet oder eingeschlossen wird, wenn man nicht mehr ans Tageslicht zurück kann?
Seltsam klein war der Tunnel auf einmal, so, dass man hindurchkriechen muss, über Steine und Knochen hinweg. Und plötzlich fiel die Tür hinter uns zu, das Licht ging aus. Wir saßen im Dunkeln. Und hörten uns nur atmen. Etwas streifte meinen Arm, ein heller Schrei, und ich wachte auf.
An manchen Tagen gab es kein Essen. Kein Strom. Kein Wasser. Schüsse sausten durch die Luft. Und rannte jemand über die Straße, rannten alle mit. „Woher kommen die Schüsse?“ fragte man in Panik. Dabei hatte sie nur die Bestätigung, durch den Tunnel gehen zu dürfen, schnell nach Hause bringen wollen. Das Schreiben hatte sie unter ihrer Mütze auf ihrem Kopf. Nur schnell nach Hause, den Sohn mitnehmen und sofort nach Ilidza fahren. Heute ist es die Tunnelstraße 1 mit dem Tunnelmuseum, damals war es die letzte Hoffnung, um aus dem Belagerten Sarajevo herauszukommen: Der Tunnel der Rettung, unter einem scheinbaren Haus angelegt, um Lebensmittel in die belagerte Stadt schmuggeln zu können.
1335 Tage lang war Sarajevo besetzt, umkreist von Raketenwerfen und Snipern auf den umliegenden Bergen, erschüttert von Schüssen und Explosionen. Man lebte in den Kellern und den Küchen, deren Fenester mit Unicef-Folie bespannt wurden oder mit Holzbrettern vernagelt. Für Wasser und Lebensmittel musste man auf die Straße, sich in die Schlange stellen an den Ausgabeorten der internationalen Hilfsorganisationen. Konserven, Mehl, Brot, weiße Wasserkanister. Auf den Wiesen zwischen den Häusern begann man Gemüsebeete anzubauen, Obstbäume zu pflanzen.
„Niemand wollte glauben, dass ein Krieg kommt“, deswegen blieb man in der Stadt. Deswegen wurde am 5. April 1992 noch eine Friedensdemonstration vor dem Parlamentsgebäude abgehalten. Auf der Vrbanja-Brücke, direkt hinter dem Parlament, fielen die ersten Schüsse. Sie trafen zwei junge Frauen. „Manchmal muss man weglaufen. Manchmal muss man alles, was man liebt, loslassen. Ich wünschte, wir hätten es damals früher getan.“ Aber die Hoffnung sei immer stärker, die Angst und der tiefe Wunsch, dass sich alles wieder beruhigt und der Krieg nicht anfängt, schnell wieder aufhört, bald wieder aufhört. Endlich zu Ende geht.
„Wir wussten, dass es bald losgeht. Wir ahnten, schon recht früh, dass der Krieg kommt. Nur will so etwas niemand sehen.“ Es gab Waffenlieferungen von denen in der Zeitung berichtet wurde. Und geheime Zeichen. Für die Hochhäuser galt: eine Jalousine geschlossen, die andere auf halber Höhe. Die Waffenlieferung kam dann an die Tür.
„Die Serben in Sarajevo waren bereits ein halbes Jahr vor Beginn der Belagerung informiert und bewaffnet.“ In der Fabrik, in der sie arbeitete, wurden sandfarbene Waffen für den Iran hergestellt. Plötzlich waren sie auf den Straßen, die Waffen, die sie noch in der Fabrik kontrolliert hatte. 1995 erst, als die Belagerung kaum noch auszuhalten war, als die Stadt zerstört und Brot selbst mit Zigaretten nicht mehr zu bekommen war, flüchteten sie.
Der Tunnel in Ilidza war der einzige Ausweg, von dort aus fuhren Flüchtlingsbusse ins Ausland. Wer flüchten wollte, brauchte eine Erlaubnis. Vom Arbeitgeber, vom Staat, von den Militärs.„Sie wollten mir keine Erlaubnis geben, wir Kroaten sollten per Dekret der katholischen Kirche bleiben, um unser Territorium zu verteidigen.“ Das Schreiben unterzeichnete schließlich ihr ehemaliger Arbeitgeber. Ausgerechnet der Direktor der Waffenfabrik, sagt sie.
Die 800 Meter des Tunnels führten unter dem Flughafen Butmir entlang, mit einem Ende in Ilidza und dem anderen in Richtung Hrasnica. Der Flughafen stand unter der Kontrolle der Vereinten Nationen, von beiden Seiten aus wurde geschossen. Anderthalb mal zwei Meter, unter ihnen Schienen, über ihnen Kabel und Röhre. „Als wir auf der anderen Seite aus dem Tunnel kamen, wussten wir nicht wohin.“ Wald, ein paar Häuser, Schüsse, keine Busse. Es war dunkel. Ein kleiner Junge brachte sie in eine Moschee zum Übernachten. Ausgerechnet in eine Moschee, sagt sie. Aber immerhin raus aus der Dunkelheit.
Bog Anja,
taj tunel nisam nikad vidio, ni u Sarajevu nisam živio, ali tamo je živila jedna medicinska sestra, koja je moja
rodica. Ona je uspjela kroz taj tunel da pobjegna sa djecom i danas svi oni žive u Selcima na otoku Braču, nedavno sam imao prilike da malo popričamo o tim ratnim danima, koje ona eli da zaboravi, ali joj to ne iskreno rečeno ne uspjeva.