DIE SPRACHE DER SPRACHEN

Iz naše arhive/ pročitano 18.08.2013. na dan rođenja Marka Marulića ispred pjesnikove stautue u Berlinu a objavljeno 19.08.2013.

Ein Esey über Marko Marulić in kleinen Buchstaben

ich rede von ihr …judita …

schreibt: anja breljak

051wie kann ich etwas angemessenes sagen, über sie, diese statue, ihren bildner, ihr bildnis, ihrer schöpfung, ihre bedeutung, und mich gleichzeitig zu ihr verhalten, ihrem modergeruch. ihrem rost.

also rede ich nicht von ihm, ihnen, den literaten und den bildhauern, sondern von ihr. ich rede von ihr, der er ihr die dichtung widmet. und die heldinnentat, die er ihr, der dichterin, der regisseurin, mitgibt. er, der eine frau findet, die er den menschen gleich machen kann, weil sie nicht so groß ist wie ein mann.

judita, nennt er sie. all die großen schmücken sich mit ihr, und ihrer opfernden tat aus gottesfurcht, der hohen gerechtigkeit wegen, wagt sie sich in das zentrum des feindes, um ihr volk zu rächen. ich möchte diesen text, diese tat  anders lesen. sie ist fremdkörper, der aber die sprache der anderen, der assyrer, der männer, kennt, sich auf ihre pass-wörter einlässt, um sie ihrer lächerlichkeit preiszugeben.

und vielleicht ist das die wahre heldinnentat, der er auf der spur war. nicht, ihr weibischer akt der aufopferung, nicht des vaterlandes wegen, nicht zur beschwörung, zur tötung, und womöglich am wenigsten zur befreiung. sondern ein akt der erschütterung. sie, eine witwe, nimmt ihre reize, spielt das spiel der frauen, über dem sie steht, dessen regeln sie kennt, und die sie zu nutzen weiß.

wissen ist es, nicht ihr körper. also marschiert sie, als ob sie eine  frau wäre, eine schöne zugleich, mitten in das lager der assyrer, und tut, was ihr niemand zugetraut hätte: sie enthauptet den führer, sie nimmt ihn, seine vernunft, seinen verstand, und auch seinen kopf, in einem akt der auf-führung, stellt sie sich auf die bühne der herrscher und verkündet ihr nahendes ende. sie macht ihnen angst, weil sie die regeln neu geschrieben hat, nach denen eigentlich männlich geherrscht wird, die sie benutzt hat, weil sie sie zu spielen wusste, und damit umzuschreiben, als wäre sie die regisseurin dieses schauplatzes und nicht er, der schriftsteller.

das ist es, was judith uns gibt. die fähigkeit, aus den konventionen herauszuspringen. das alte zu benutzen, und uns unserer selbst gewahr, über unser vermeintliches ich hinübersteigen. es ist die gabe der veränderung, die marulic zum thema macht. nicht die bedrohung, nicht die befreiung, die es nicht gibt, und schon gar nicht das zurückschlagen. gott, gerechtigkeit sind hier leere zentren dieser geschichte. es ist die geschichte eines kommenden schauspiels, eines aufstandes.

angenommen, dieser text, judita, diese statue, marko, stehen nicht im zeichen einer intention, der künstlerin oder autorin, sondern sind unsere produkte, wir, die wir sie heute lesen, sehen, interpretieren, ihnen eine intention zuschreiben. dann haben wir die pflicht, sie neu anzuhören, zu lesen, neu zu interpretieren.

und was wir dann vielleicht sehen ist dieses symbol einer politik der freundschaft, die menschen, uns, zusammenführt, nicht über den gemeinsamen sieg, nicht durch den schweren akt der trauer, des hasses oder der vermeintlichen identität durch nation, religion oder ethnie. sondern über die erinnerung an und durch eine sprache, die noch nichteinmal eine gemeinsame ist. dafür aber eine sprache der dinge, der poesie, der literatur, die uns und unser denken angeeignet, die uns zu denken gibt, ohne zu sagen, was es ist, das wir da denken sollen.

vielleicht also steht er, sie, die statue, nicht nur für “unsere” sprache, sondern für jene sprache der sprachen, jene poesie, die wir selbst zu denken haben, die sich uns nicht vorgibt, sondern der wir etwas von uns geben müssen, in der wir uns aufgeben müssen als ausschließendes wir, und die fragen stellen müssen, was es sein kann.

dann hat die sprache, europa, keine feinde, sondern menschen, die bereit sind, die erschütterung im ich, im wir zu suchen.

vielleicht ist es das, was marko marulic uns heute geben kann, geben muss, damit in seiner sprache die sprache der sprachen gehört werden kann.

 

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